Sina Riffel

Tiertherapie und Hundetraining

2022-04-23

Mia - Die Geschichte meiner Tierheimkatze

Letzten Monat hatte ich einen Beitrag veröffentlicht, in dem es um die Frage ging, ob eher ein Tierbaby oder ein erwachsenes Tier als neues Familienmitglied einziehen sollte (siehe hier). Dieser Beitrag beschäftigte sich rein mit den sachlichen Aspekten wie der Zeit, die man für das Tier aufbringen kann und der bisherigen Familienkonstellation. Mir ist aber klar, dass die Auswahl eines neuen Tieres oft gefühlsbestimmt, statt rational getroffen wird. In meiner Kinder- und Jugendzeit hatte ich selbst das Glück drei Katzenbabys aufziehen zu dürfen. Daher weiß ich genau, dass die kleinen tapsigen Tiere einfach nur goldig sind, ihre Aufzucht aber auch anstrengend ist. Vor allem die ersten Nächte, in denen die Kleinen ihre Mama und die Geschwister vermissen, können herzzerreißend sein.
Als bei der Kollegin meines Mannes vor zwei Jahren zwei Babykater einzogen, erzählte sie anschließend täglich auf Arbeit, was die Kleinen angestellt und kaputt gemacht hatten. Auf die Weihnachtsdeko verzichtete die Kollegin in diesem Jahr vorsichtshalber. An einen Weihnachtsbaum war ebenso nicht zu denken. Bereits nach kurzer Zeit kam mein Mann dann zu der Erkenntnis, wie froh er wäre, dass unsere Katze in ihrem gesetzteren Alter bereits so entspannt ist. Für ihn wären Katzenbabys definitiv zu anstrengend.

Viele Menschen haben aber Bedenken, dass ältere Tiere keine enge Bindung mehr zu ihnen aufbauen. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass das Verhältnis zwischen Mensch und Tier nicht mit dem Alter zusammenhängt, indem das Tier einzieht. Als ich 16 Jahre alt war, zog bei uns der zwölf Wochen alte Kater Oscar ein. Dieser lebte zuvor auf einem Bauernhof und wuchs dort die ersten Wochen ohne Geschwister und wenig Kontakt zu Menschen in einer Scheune auf. Auch wenn es später Momente gab, in denen er mit uns kuschelte, blieb Oscar aufgrund seiner mangelnden Sozialisierung in der Prägungsphase eher ein menschenscheuer Einzelgänger, der lieber im Schuppen als bei uns im Haus wohnte.
Meine Katze Mia holte ich aus dem Tierheim als sie bereits sechs Jahre war. Trotzdem sind wir heute ein super Team. Wir kuscheln viel, sie folgt mir wie ein Hund durch die ganze Wohnung und kommt sofort angerannt, wenn ich sie rufe. Mia und ich.png

Am Ende entscheidet nicht das Alter, ob zwischen Besitzer und Tier ein harmonisches Zusammenleben entsteht, sondern die Erfahrungen, die das Tier bis zum Einzug gemacht hat, die Sozialisierung in der Welpenzeit und letztendlich muss einfach die Chemie passen. Jedes Tier hat seinen individuellen Charakter und Eigenarten, die zum Besitzer passen oder eben nicht.

Als ich mich vor elf Jahren entschied wieder eine Katze bei mir aufzunehmen, war mir schnell klar, dass ich einem erwachsenen Tier aus dem Tierschutz eine zweite Chance geben wollte. Obwohl es drei Tierheime in meiner Umgebung gab, dauerte es einige Zeit die passende Katze zu finden. Ich wohnte damals im vierten Stock eines Mehrfamilienhauses in einer großen Stadt. Daher kam nur eine Wohnungskatze in Frage. Die meisten angebotenen Katzen waren zu dieser Zeit aber Freigänger. Die wenigen verfügbaren Wohnungskatzen waren zu zweit abgegeben wurden und sollten natürlich auch wieder gemeinsam vermittelt werden. Ich hatte aber nur eine Einraumwohnung. Käme es mal zu Streit zwischen den Katzen, hätten sie daher nicht genug Ausweichmöglichkeiten gehabt. Aus diesem Grund sollte es eine Einzelkatze sein.

Das erste Tierheim, das ich besuchte, schockierte mich. Ich war zuvor noch nie in einem Tierheim gewesen. Das Katzenhaus war ein langer Gang, von dem aus mehrere fensterlose Zimmer abgingen. Die Räume selbst waren daher dunkel und rochen entsprechend streng. Teilweise waren die Katzen in den Zimmern kaum zu finden, da die Zimmer auch noch verwinkelt waren und die Tiere sich versteckten. Erschwerend kam hinzu, dass sich die Katzen in der stressigen Situation des Tierheimes nicht normal verhielten, sondern scheuer oder aggressiver wirkten.
Gern hätte ich allen Tieren ein besseres Zuhause geboten, leider war aber keine passende Katze dabei.

Nach längerer Suche stieß ich dann auf den Steckbrief von zwei Wohnungskatzen, die zwar zusammen abgegeben wurden, explizit aber nicht wieder zusammen vermittelt werden mussten. Auf diese Anzeige hin fuhr ich gleich am nächsten Freitag ins Tierheim und eine Mitarbeiterin schickte mich dann ins entsprechende Zimmer. Auch hier waren wieder viele Katzen in einem Raum untergebracht, allerdings war er hell und gut gelüftet, wenn auch etwas klein. Dafür gab es einen gesicherten Balkon, den die Katzen zeitweise nutzen konnten.
Eine der beiden angebotenen Katzen entdeckte ich gleich. Sie saß unter dem Heizkörper und schien von meiner Anwesenheit nicht besonders begeistert. Die zweite Katze entdeckte ich zunächst nicht. Erst auf Nachfrage erhielt ich von der Mitarbeiterin den Tipp, dass sie sich hauptsächlich in einem Transportkorb aufhielt. Dort fand ich sie tatsächlich und in dem Moment, als ich sie streichelte, fing sie an zu schnurren. Da wusste ich sofort – das ist meine Katze.
Nach der Zahlung der Schutzgebühr durfte ich sie dann auch ohne Nachfragen zu meinen Gegebenheiten sofort mitnehmen. Aus meiner Sicht macht es Sinn, dass Tierheime die zukünftigen Besitzer und deren Wohn- und Lebensgegebenheiten vor der Abgabe hinterfragen. Damit können sie einschätzen, ob das Tier im neuen Haushalt artgerecht gehalten wird und verhindern, dass es schnell wieder im Tierheim landet, z.B. weil der Vermieter einer Aufnahme gar nicht zugestimmt hat. Bei meiner Suche nach einem Tier bin ich aber auch auf Tierheime gestoßen, die so extreme Ansprüche an die zukünftigen Besitzer stellen, dass es verwunderlich ist, dass überhaupt jemand diese Kriterien erfüllen kann. Hier sollte ein sinnvolles Mittelmaß gefunden werden.
Für mich war es damals natürlich großartig, dass ich meine Mia sofort mitnehmen konnte.

Die ersten gemeinsamen Tage waren dann noch etwas holprig. Mia war nur knapp einen Monat im Tierheim gewesen, sodass die Mitarbeiterin mir nicht viel über sie sagen konnte. Auch über ihr Vorleben war nicht viel bekannt. Ich musste mich daher mit vielen Dingen langsam herantasten. So war es zum Beispiel schwierig herauszufinden, welches Futter sie mochte. Als sie auf die Küchenzeile sprang, wusste ich nicht, ob ich sie herunterheben kann, weil ich es zwar gewohnt war, meine Katzen hochzuheben, viele es aber nicht mögen. Es ist, als ob ein fremder Mensch bei einem einzieht. Man lernt sich Stück für Stück kennen. Das erfordert Geduld. Die ersten Tage verbrachte Mia zum Beispiel hauptsächlich versteckt in einer Nische hinter meinem Kleiderschrank. Dafür tobte sie nachts durch die Wohnung. An viel Schlaf war da nicht zu denken.
Ab und zu versuchte ich sie zum Spielen zu animieren, ließ ihr sonst aber die Zeit, die sie selbst brauchte, um Vertrauen zu mir aufzubauen und schließlich schlief sie statt hinter dem Schrank an mich gekuschelt neben mir im Bett.

Mein Fazit: Um ein passendes Tier im Tierheim zu finden, braucht es manchmal etwas Zeit und Geduld. Auch muss man damit rechnen, dem Tierheim diverse persönliche Auskünfte zu geben und sogar Kontrollbesuche gestatten zu müssen. Dennoch lohnt es sich. Liegt beim adoptierten Tier keine ernste Verhaltensstörung vor, die ein Zusammenleben erschweren kann, kann man auch mit einem erwachsenen Tier noch eine tiefe Bindung eingehen. Diese Tiere sind zudem oft sehr dankbar, dass sie ein neues Zuhause bekommen haben.

Meine Mia wird dieses Jahr siebzehn Jahre alt und ist zum Glück noch topfit. Sollte aber in ferner, ferner Zukunft der Fall eintreten, dass eine neue Katze bei uns einzieht, würde ich auf jeden Fall wieder ein Tier aus dem Tierschutz adoptieren.

Wer sich übrigens fragt, ob Mia ihre alte Mitbewohnerin nicht vermisst, dem kann ich ganz klar antworten: „Nein“. Mia ist eine absolute Einzelkatze, die für andere Artgenossen nur Fauchen und Knurren übrig hat. Manchmal faucht sie sogar ihr eigenes Spiegelbild an. Das Tierheim hatte dies zum Glück erkannt, wahrscheinlich auch, weil sie die meiste Zeit in der Transportbox lag, um den Kontakt zu den anderen Katzen weitestgehend zu vermeiden. Daher wurde eine getrennte Vermittlung angeboten. Mia genießt es allein „Herrscherin“ in ihrem Reich zu sein und ihre Menschen ganz für sich zu haben.

Admin - 13:41:54 @ Katze | Kommentar hinzufügen

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